Konzept und Praxis

Moin!

Eigentlich war an dieser Stelle ein Spielbericht von den Lotto-Pokalspielen des Sonntags geplant. Eigentlich. Aber Corona hat mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schade.

Obwohl: Eigentlich war es gar nicht Corona. Damit käme man eigentlich gut klar, wie es den Anschein hat. Immerhin haben die Verbände DFB und HFV einige Informationen und Anforderungen bereitgestellt, und – trotz des allgemeinen Gleichklangs – unter einigem Aufwand haben die Vereine Hygienekonzepte für ihre Sportanlagen entwickelt, um wieder am Spielbetrieb teilnehmen zu können.

Diese Hygienekonzepte sehen unter anderem bis zu drei verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Zutrittsberechtigungen vor, dabei ist die innerste Zone allein den Athlet*innen, Trainer*innen, Betreuer*innen, Schiedsrichter*innen und teils den Medienvertreter*innen vorbehalten und Zone drei für eine eng beschränkte Anzahl Zuschauer. Außerdem sollen die Kabinen häufig nicht oder nur unter starken Einschränkungen benutzt werden, und zwischen den Spielen sind Pausen von 30 Minuten vorgesehen. Alle Besucherinnen sollen meist namentlich und mit Kontaktdaten erfasst werden. Grundsätzlich soll der Mindestabstand von 1,5 Metern in allen Bereichen außerhalb des Spielfeldes eingehalten oder Masken getragen werden.

Soweit zur Theorie. In der Praxis… nunja.

Diese Zeiten erfordern für Berichterstatter wie mich durchaus Koordination. Daher nahm ich eine Woche vor dem Spiel per Email Kontakt zu zwei Vereinsvertretern auf: Einerseits zum HEBC unter der im Hygienekonzept genannten Adresse, zum anderen zu Concordia-Trainer Kay-Ole Schönemann, den ich noch vom HSV II. von damals kannte. Ich wollte im Vorhinein einige Fragen klären und mich als Medienvertreter, wie von Concordia im Konzept gefordert, anmelden. Diese Forderung fand sich im HEBC-Konzept nicht, was ich beim Lesen bemerkenswert fand, da die HEBC-Herren in der Oberliga spielen und dort wohl eigentlich mit Medienbesuch zu rechnen sein müsste.

Ratet, welche Antworten ich bekam…

Richtig: Keine.

Zugegeben: An Concordias Hygiene-Ansprechpartner Christian Bendt hatte ich mich im Vertrauen darauf, dass Schönemann als Frauen-Coach näher an der Praxis sei, nicht gewendet. Und da – aus nachfolgend weiter ausgeführten Gründen – der Wechsel des Spiels von Concordia gegen Walddörfer zu Meiendorfer SV gegen TuS Berne relativ kurzfristig erfolgte, hatte ich auch beim MSV nicht im Vorhinein angefragt. Was das allerdings an Vorteilen gebracht hätte, ist mir nach meinen Erfahrungen am Deepenhorn nicht klar.

Ich hatte den HEBC also ausgeklammert, in der Hoffnung, dass ich bei Cordi schon irgendeine Möglichkeit finden würde. Denn bisher habe ich oft Menschen in verantwortlichen Funktionen beim Frauenfußball getroffen, die meiner Berichterstattung aufgeschlossen gegenüberstanden und gegebenenfalls versuchten zu helfen. Nach einer dreiviertelstündigen Anfahrt (dank vieler Sonntagsfahrer und Staus – da rächten sich Sonne und 20 Grad zum letzten Tag des kalendarischen Sommers) für eine 15-Minuten-Strecke kam ich im Vorbeifahren an der Sportanlage Bekkamp durch den Blick auf den Eingangsbereich und die zugeparkten Straßen zu der Erkenntnis, dass ich dort niemals zu den 100 bis 200 zugelassenen Zuschauer*innen gehören würde, und da die Anmeldung als Medienvertreter im Voraus nicht funktioniert hatte, wollte ich es auch nicht darauf ankommen lassen, dass sie gegen ihr eigenes Hygienekonzept verstoßen würden – machte es doch von außen den Anschein, als nähmen sie es damit ernst. Immerhin war dies auch ein Duell zwischen Oberliga und Regionalliga, und mit Anwesenheit von HFV-Vertreter*innen war durchaus zu rechnen.

Also Plan B. Eine Viertelstunde später kam ich am Deepenhorn an. Ich vertraute darauf, dass die Kompromissbereitschaft (ohne vorherige Anmeldung zwischen den Trainerbänken, da von dort aus optimale Lichtverhältnisse herrschten, aber ab dem Betreten des Bereichs um das Spielfeld herum bis zum Verlassen der Anlage durchgehend mit vorschriftsmäßig Nase und Mund verdeckender Maske) dort in Abwesenheit von HFV-Entsandten größer war. Falsch gedacht. Ein Meiendorfer Trainer verwies mich höflich hinter die Balustrade auf der Gegenseite zu den Zuschauern. Ohne zu argumentieren folgte ich brav der Anweisung. Dort musste ich allerdings feststellen, dass ich, wie ich es drehte und wendete, immer einen der neben dem Spielfeld, etwa fünf Meter von den Zuschauer*innen entfernten Lichtmast der Flutlichtanlage genau im Blickfeld haben würde, vor allem in Fotografierrichtung auf das rechte Tor (siehe Bild unten). Neben dem Lichtmast am Spielfeldrand stehen durfte ich auch nicht, sondern ausschließlich hinter der Barriere, da war der Meiendorfer Trainer verbindlich gewesen. Weil unter diesen Voraussetzungen die erforderliche Qualität meiner Bilder für einen Spielbericht nicht zu gewährleisten war, packte ich meine Kamera wieder ein und verließ die Anlage – mit einigen großen Fragezeichen.

Vernünftige Foto-Bedingungen sehen leider anders aus ...
Vernünftige Foto-Bedingungen sehen leider anders aus…

Um Missverständnissen vorzubeugen: Mit der Entscheidung, mich hinter die Barriere auf der Gegenseite zu schicken, habe ich keine Probleme, und dass ich nun umsonst Sprit verfahren habe, ohne Fotos und einen Spielbericht anfertigen zu können, ist den Umständen dieser Pandemie und der (Fehl-)Konstruktion der Anlage geschuldet und einfach Pech. Ob es meinem Versäumnis geschuldet ist, weder bei Concordias noch bei Meiendorfs Hygienebeauftragten rückzufragen und mich von vornherein anzumelden, dass es so kam, ist irgendwo zwischen möglich und wahrscheinlich, und weil ich diesbezüglich keine sicheren Erkenntnisse habe, muss ich mir das als Unterlassungssünde selbst ankreiden!

Jetzt kommt das Aber: Aber wie es im Endeffekt in der Praxis gelaufen ist, passt für mich auch nicht ganz zusammen.

Ich bin mir bewusst, dass Vertreter*innen des HFV womöglich diese Zeilen lesen und dies den Meiendorfer SV folglich in größere Schwierigkeiten bringen kann.
Andererseits klafft zwischen der Verbindlichkeit, mit der mir gegenüber – zurecht! – auf der Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Hygienekonzept gepocht wurde, und der Verbindlichkeit, mit der sie ansonsten am Deepenhorn umgesetzt wurden, eine riesige Lücke, die ich schlichtweg, auch öffentlich, hinterfragen muss. Und ja, ich gebe es offen zu: Hätte ich dort stehenbleiben, das Spiel beobachten und fotografieren dürfen, oder hätte der Flutlichtmast dort nicht im Weg gestanden, wäre das alles kein Thema gewesen – schlichtweg deshalb, weil dann meine Aufmerksamkeit allein dem Spiel gegolten hätte anstatt den Details der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen.

Es begann schon bei der Ankunft. Laut Punkt 6 (Spielbetrieb) des auf der HFV-Webseite veröffentlichten Hygienekonzepts des Meiendorfer SV sollen alle Besucher*innen inklusive ihrer Adresse und Telefonnummer namentlich erfasst werden. Außerdem sollte die anwesende Gesamtpersonenzahl „stets bekannt“ sein. Nur: Weder das eine noch das andere wurde bei meinem Eintreffen kontrolliert. Ich konnte durch den Eingang marschieren und war auf der Anlage. Ich weiß nicht, ob das periodisch per Finger und scharfem Blick durchgezählt wurde, aber dass sich während des zuvor stattfindenden Herren-Spiels gegen den SSV Rantzau im Zuge der Anreise von Zuschauer*innen des folgenden Frauen-Pokalspiels die Anlage merklich füllte, war nicht zu übersehen. Ob sich also zu irgendeinem Zeitpunkt mehr als 200 Teilnehmer*innen (oder 100 Teilnehmer*innen bei Alkoholausschank) auf der Anlage befanden (siehe § 9 der Hamburger Corona-Verordnung), wurde anscheinend nicht konsequent überwacht. Angesichts der Vielzahl an Personen gerade im Zeitraum der Schlussphase von Spiel 1 vor Beginn von Spiel 2 erscheint es durchaus möglich. Die vom HFV geforderte Registrierung aller Personen auf der Anlage fand allerdings definitiv nicht statt, ich wurde nirgends aufgefordert, meine Daten anzugeben. Ob ein Hygienekonzept für die Personen in Zone 3 aushing, das die Besucher über die Regeln informierte, kann ich nicht sagen – bewusst wahrgenommen habe ich keines.

Nach dem Ende des vorherigen Spiels saßen die Herren beider Teams noch im Bereich ihrer Trainerbänke für die Nachbesprechung, im Einklang mit dem Hygienekonzept, als aus dem Stab der MSV-Frauen bereits die Aufforderung kam, den Bereich zu verlassen, damit die Frauen ihr Spiel durchführen konnten. Noch während die Herrenteams auf dem Weg vom Feld Richtung Kabinen waren, betraten die Frauenteams das Feld auf dem Weg zu den Bänken, und kurz darauf informierte der Schiedsrichter beide Trainer, dass es noch zehn Minuten Vorbereitung vor Spielbeginn geben werde. Damit wurde die vom HFV geforderte Pause von mindestens 30 Minuten (Punkt 5), die gewährleisten soll, „dass die am (vorherigen) Spiel beteiligten Personen das Spielfeld komplett verlassen haben, bevor die Beteiligten des Folgespiels das Spielfeld betreten“, wie auch die Trennung der vier Mannschaften unterschritten.

Vollständig ad absurdum geführt wurde das Hygienekonzept jedoch bereits vor dem Spiel. Baulich bedingt sind die Bereiche auf der Anlage Deepenhorn, in denen die Zuschauer*innen von der Barriere einen (*räusper* weitgehend) unverstellten Blick auf das Spielgeschehen haben, begrenzt, da an zwei Stellen ein meterlanger Zaun, angebracht als Fangvorrichtung für quer zur Erwachsenen-Spielrichtung stattfindende Kleinfeld-Spiele, die Sicht stark einschränkt. Daher stehen dort nur die Zuschauer, die nirgendwo anders einen Platz bekommen. Folglich drängten sich schon vor dem Anpfiff die Zuschauer*innen dort, wo lediglich die Barriere war – von den geforderten 1,50 Meter Abstand oder getragenen Mund-Nase-Masken keine Spur. Auf Abstandsmarkierungen, wie sie etwa der SV SuS Steenfelde auf seiner Anlage aufwändig anbringt, hatte der Meiendorfer SV allem Anschein nach verzichtet.

Und jetzt denken wir das mal weiter: Diese – nicht namentlich erfassten – Zuschauer*innen schafften Umstände, unter denen sich eine Verbreitung von CoVid-19 nicht wie gefordert minimieren ließen. Diese haben dann womöglich, als Eltern, Großeltern, Geschwister oder Freunde im Alltag Kontakt zu Spieler*innen und Betreuer*innen, und Letztere treffen dann in der Folgewoche im Training wieder zusammen, ohne eine weitere Verbreitung ausschließen zu können, während die Zuschauer*innen eine Infektion in ihre Familien zuhause hineintragen könnten.

Und da stellt sich mir dann schon die Frage, warum es nicht möglich war, dort auf der anderen Seite zwischen den Trainerbänken zu stehen – in der „Zone 1“, zu der Medienvertreter (explizit genannt sind Fotograf*innen) bei Voranmeldung ausweislich des MSV-Hygienekonzepts Zugang bekommen sollen -, wenn die Einhaltung desselben Hygienekonzepts auf dem Rest der Anlage offenbar gar nicht überwacht wurde.

Nochmal: Ich nehme das nicht persönlich! Nur sollte man doch davon ausgehen, dass das Hygienekonzept in der Praxis in jedem Aspekt beachtet wird und nicht nur in einigen wenigen. Zumal ich, wäre ich ein Infizierter, dort auf der anderen Seite angesichts der Missachtung der Abstandsregeln eine anonyme und wesentlich größere Gefahr gewesen wäre (nämlich über den Kontakt mit Zuschauer*innen aus dem Dunstkreis der Spieler*innen) als dort mit meiner Maske, wo ich laut Konzept mit vorheriger Anmeldung auch ohne Maske hätte stehen dürfen…

Zum besseren Verständnis habe ich diese Absurditäten in vier Grafiken aufgearbeitet.

Was laut MSV problematisch ist
Was laut MSV unproblematisch ist …
… wächst sich womöglich nach dem Spiel …
… und im nächsten Abschlusstraining aus

Auch wenn es scheint, als würde ich den Meiendorfer SV hier aus persönlichen Motiven an den Pranger stellen wollen, bin ich mir sicher, dass es nicht der einzige Verein an diesem Wochenende war, an dem die Hygienekonzepte bestenfalls lax umgesetzt wurden. Das soll auch nicht diejenigen beschmutzen, die sich diesbezüglich rigide daran gehalten haben – ich nehme an, es ist die überwiegende Mehrheit. Und wenn man mir nun nachsagen will, ich sei eine Petze, dann mögen diejenigen bedenken, dass man nur petzen kann, was ein Regelverstoß ist. Aber ebenso eine Wahrheit ist, dass Fußball in dieser Pandemie mit aktuell täglich ungefähr 2.000 Neuinfektionen (23. September: 78 neue Infektionen in Hamburg, womöglich auch zurückzuführen auf den Fußball-Spielbetrieb am Wochenende) nur dann stattfinden kann, wenn sich alle an die Regeln halten und zur Minimierung der Neuinfektionen ihren Teil beitragen. Und es ist ausgesprochen unfair gegenüber denen, die sich diesen Extra-Aufwand machen, die Anforderungen ernstzunehmen, wenn andere es nicht tun.

Dass meine kritische Betrachtung nun den Meiendorfer SV getroffen hat, weil sie ihre Flutlichtanlage vor Jahren an blöden Stellen geplant haben, ist wie der Ausgang meines Ausflugs zum Frauenfußball am vergangenen Sonntag: Pech.

Herzlichst,
Euer Fuxi

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