Drei Männer im Mittelpunkt

Lucy Griffiths und Janine Börker - © hffn.de

Ich kritisiere ungern SchiedsrichterInnen. Zum einen sind sie ein leichtes Ziel, um an allem schuld zu sein, einschließlich schlechter Leistungen von SpielerInnen. Zum anderen macht jeder Fehler, nimmt Vorgänge – je nach Blickwinkel – unterschiedlich wahr, und nicht allzu selten haben SchiedsrichterInnen ja sogar mal recht, auch wenn das andere unmittelbar Beteiligte völlig anders gesehen haben wollen. Das gilt ganz besonders für solche Einsätze, die die Unparteiischen ohne Assistenz absolvieren müssen, etwa in der Kreisliga.

In diesem Fall jedoch war der Schiedsrichter beim Topspiel der Kreisliga 02 zwischen dem SC Victoria II. und dem SV Wilhelmsburg eine der drei Hauptfiguren. Er trug mit seinem leider gravierenden Mangel an Souveränität und klaren Ansagen an diesem späten Nachmittag dazu bei, dieses Spiel zu prägen. Die beiden anderen Protagonisten waren die Trainer, Brian Pollmann von Vicky und Matthias Bolle vom SV Wilhelmsburg, die nicht müde wurden, den Schiedsrichter von außen lautstark zu kritisieren oder sich untereinander über ihn zu unterhalten. Natürlich übertrug sich das auch auf die Mannschaften, und der unterlegene Gastgeber ließ sich davon mehr aufreiben als die Gäste. Wobei man auch klar sagen muss, dass das Spiel nicht so ausartete, wie man es ob dieser ganzen Zerlaberei und Reklamiererei befürchten musste. Dennoch gab es zwei Verwarnungen wegen Meckerns und eine wegen Foulspiels.

Dazu kam eine Verletzung auf Wilhelmsburger Seite in einem gegen Ende doch ungewöhnlich intensiv geführten Zweikampf, zu dessen Härte alle drei Protagonisten beigetragen hatten. So beschwerte sich Victoria im Verlauf der zweiten Hälfte mehrmals darüber, dass sich eine Spielerin von Wilhelmsburg immer wieder bei der kleinsten Berührung fallen ließ und der Schiedsrichter ihr einen Freistoß zusprach, worüber sich auch Vickys Trainer echauffierte und ihm der Übungsleiter des SVW sogar Recht gab, dass – ich paraphrasiere an dieser Stelle – weder das eine noch das andere gut sei, um zu erklären, dass das doch ein legitimes Mittel sei, wenn der Schiedsrichter das pfeife. Diese Anekdote sagt aus meiner Sicht über dieses Spiel so ziemlich alles Notwendige aus, vor allem die Unnötigkeit dieses ganzen Verlaufs. Und die alles andere als witzige Pointe? Die mit zunächst großen Schmerzen verletzt ausgeschiedene Wilhelmsburgerin war jene, über die sich Victoria beschwert hatte, und bei diesem Zweikampf pfiff der Schiedsrichter nicht…
(Soweit ich es mitbekommen habe, war beim Aufprall auf den Boden wohl der Oberschenkelkopf aus der Hüftpfanne gesprungen, was der anwesende Trainer von Victorias Oberligamannschaft, Dennis Wolf, ein staatlich geprüfter Physiotherapeut, noch an Ort und Stelle richten konnte, so dass die Spielerin auf den eigenen zwei Beinen in die Kabine humpelte.)

And now to something completely different: Fußball. Wilhelmsburg hatte von Anfang an das Heft in der Hand. Larissa Holland verpasste in der 2. Minute eine Flanke von Paula-Marie King, und dahinter schoss Janine Börker drüber. Dann scheiterte Jana Schrader in einer Doppelchance an der Fußabwehr von Raven Brosseit, die auch den Nachschuss von Jennifer Witthöft per Flugparade entschärfte (4.). In der 11. Minute war es jedoch passiert, weil Holland, die in der Offensive des SVW alle Freiheiten genoss, einfach mal aus 28 Metern direkt über Brosseit hinweg ins lange Eck ballerte. Die Oberliga-Erfahrung der Gäste machte sich natürlich deutlich bemerkbar, sie waren ballsicherer und aggressiver. Vicky versuchte Nadelstiche zu setzen, nur wurden sie noch nicht gefährlich. Stattdessen prüfte Holland Brosseit aus 23 Metern flach. In der 25. Minute war Brosseit zum zweiten Mal bezwungen: Schrader spielte Doppelpass mit Börker und traf mit links aus 12 Metern unbedrängt ins Tor. Das machten die Lokstedterinnen den Elbinsulanerinnen schlicht viel zu einfach.

Jana Schrader - © hffn.de
Jana Schrader ist durch den Querpass völlig blank …
Raven Brosseit - © hffn.de
… und trifft abgeklärt zum 0:2

Aber es gab etwas Licht am Ende des Tunnels. Mit der ersten richtigen Chance verkürzte Vicky drei Minuten später. Unter gütiger Mithilfe von Wilhelmsburgs Schlussfrau Yvonne Reinstorf. Lucy Griffiths spielte einen Ball in die Tiefe auf Nur-Fetiye Sürücü, der allerdings zu lang geriet. Sarah Scheerer schob ihn zurück zu Reinstorf, und diese Situation wäre völlig undramatisch verlaufen, wenn die den Ball nicht Sürücü direkt in den Fuß serviert hätte. Die Flügelspielerin behielt die Nerven, ging an Reinstorf vorbei und schob zum Anschlusstor ein. Damit wurde das Spiel wieder interessanter, zumal Vicky etwas beflügelt wurde. Zwar musste auf der Gegenseite Brosseit gegen Karen Schaefer retten. Im Gegenzug nahm Anne Beddies Mareike Glensk den Ball ab und schob weiter auf Jana Heinrich, deren Schuss dann zu schwach ausfiel. Und doch musste Reinstorf retten, weil Griffiths noch dazwischenspritzte und ihr Glück mit der Fußspitze versuchte (31.). Aber Wilhelmsburg berappelte sich. Hollands Bogenlampe in der 34. Minute war für Brosseit unproblematisch aus der Luft zu fischen, und Janine Bolles Schuss nach Freistoßvorlage von Börker verfehlte den Kasten kurz darauf.

Karen Schaefer und Raven Brosseit - © hffn.de
Raven Brosseit rettet gegen Karen Schaefer

Es ging mit dem 1:2 in die Pause. Von der Spielanlage war Wilhelmsburg reifer, erspielte sich Feldvorteile und ein deutlich sichtbares Plus beim Ballbesitz. Doch ihnen ging der Killerinstinkt ab, trotz zweier Treffer im ersten Spielabschnitt. Vicky II. stand tief, hatte große Probleme im Spielaufbau und sorgte nur dann für Gefahr in der Gästehälfte, wenn sie lange Bälle auf Griffiths spielten, mit denen die Innenverteidigerinnen des SVW technisch Schwierigkeiten hatten.

Die erste Szene der zerfahren begonnenen zweiten Halbzeit führte zum 1:3. Janine Bolle passte rechts auf Witthöft, an deren Querpass Brosseit vorbeigriff, und Holland staubte dankend ab (54.). Vicky hätte antworten können. Weil der Schiedsrichter bei einem Steilpass von Heinrich die Abseitsstellung von Griffiths nicht erkannte, hatte die die Möglichkeit zum 2:3, doch Reinstorf rettete in der 58. Minute. Weil sich Glensk dann über den ausgebliebenen Pfiff zu vehement beschwerte, gab es für sie die erste Gelbe Karte der Partie. 60 Sekunden später musste Reinstorf im kurzen Eck einen Freistoß von Linn Bradt klären. Auf der Gegenseite stolperte Bolle nur in eine Hereingabe von Witthöft, und Brosseit griff zu. Beide Teams brachten frische Kräfte, bei Victoria wurde der Sturm mit Rosemond Annor erneuert. Klar, die Gastgeberinnen mussten in den verbleibenden, regulären 22 Minuten mehr tun, denn sie waren zu harmlos, boten immer wieder zu große Räume. Insgesamt war die zweite Hälfte bis dato zerfahrener, hatte weniger Substanz als die erste, auch wenn die Beschreibung der Möglichkeiten etwas anderes vermuten lässt. Die Qualität litt zunehmend unter dem Einfluss jenes zuvor erwähnten Trios, das nicht aus Frauen in Spielkleidung bestand.

Janine Bolle und Jennifer Witthöft - © hffn.de
Janine Bolle spielt rechts auf Jennifer Witthöft …
Jennifer Witthöft - © hffn.de
… die den Ball wieder vor das Tor bringt …
Raven Brosseit - © hffn.de
… Raven Brosseit greift, wohl irritiert von Bolle, daneben …
Larissa Holland und Raven Brosseit - © hffn.de
… und Larissa Holland kann zum 1:3 abstauben

Die Zeit verrann. Dementsprechend war das Spiel immer deutlicher entschieden. Wenn etwas kam, dann nur von Wilhelmsburg. Schraders Volley aus 28 Metern war kein Problem für Brosseit (78.). Gleiches galt andererseits für einen 30-Meter-Schuss von Sürücü. Auch die folgenden Wechsel vermochten daran nichts ändern. Und dann stand wieder der Schiri im Mittelpunkt mit seiner Ankündigung, dass – wohl wegen der Verletzung Karen Schaefers und der ganzen Diskussionen – volle zehn Minuten nachgespielt würden. Auch wenn die Behandlung Schaefers die Begegnung für drei Minuten unterbrach und zwei weitere mit Gelaber über unterschiedliche Auffassungen der Spielführung vertan wurden, ging doch alles andere ausgesprochen zügig vonstatten, einschließlich der Wechsel. Woher die überschüssigen fünf Minuten kamen, blieb ein Rätsel. Die Nachspielzeit nutzte Wilhelmsburg: Natascha Woelm drüber, ein Schlenzer von Holland zu kurz, Woelms Freistoß aus 30 Metern wieder drüber – die Gäste wollten das vierte Tor. Sie bekamen es nach einem Freistoß, als Schrader im allgemeinen Gestochere im Strafraum diejenige war, die die größte Übersicht behielt – oder mit ihrem Versuch einfach mehr Glück hatte.

Jana Schrader und Raven Brosseit - © hffn.de
Jana Schrader vollendet aus dem Gewühl zum Endstand

Das 1:4 aus der 97. Minute war der Endstand, und tatsächlich ließ der Schiedsrichter dann auch nicht die vollen zehn Minuten nachspielen. Es wurden nur 9 Minuten und 15 Sekunden. Wilhelmsburg ließ im zweiten Durchgang nichts anbrennen, der Sieg ging auch in der Höhe in Ordnung.

Allerdings war früher mehr Fußball…


Spieldaten:

SC Victoria II.: Raven Brosseit – Johanna Rolf, Kristin Rosbander, Antonia Klinger, Paula-Marie King – Anne Beddies (68. Rosemond Annor) , Linn Bradt, Sandra Hischke, Nur-Fetiye Sürücü – Lucy Griffiths, Jana Heinrich (58. Sandra Demmler)

SV Wilhelmsburg: Yvonne Reinstorf – Karen Schaefer (88. Aslihan Budak), Sarah Scheerer, Gina-Marie Grune, Mareike Glensk (82. Friederike Schöttke) – Natascha Woelm, Jana Schrader – Janine Börker, Janine Bolle (80. Justyna Yilmaz), Jennifer Witthöft (68. Lucia Kernmayer) – Larissa Holland

Schiedsrichter: Lukas Maschmann (Eintracht Norderstedt)

Zuschauer: ca. 30

Tore: 0:1 Holland (11.), 0:2 Schrader (25.), 1:2 Sürücü (28.), 1:3 Holland (54.), 1:4 Schrader (90.+6)

Gelbe Karten: Annor (90.+5) / Glensk (58.), Scheerer (87.)

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